By the Centre...          
          Quick March!!!

Schottische Musik: Mehr als Militärmusik


Gemeinhin wird schottische Dudelsackmusik mit Militär- und Marschmusik gleichgesetzt. Diese Beurteilung zielt aber viel zu kurz. Neben den Märschen gibt es "pure", also ausschließlich zum Zuhören geeignete Musik, Tanz- und Klagemusik sowie Balladen.

Beim Piobaireachd (sprich Piebracht) handelt es sich um alte, barocke Musik. Sie wird auch als Ceol Mor (Schwere Musik) bezeichnet. Üblicherweise wird hier ein Thema nach strengen Regeln variiert, das Resultat ist daher eher für die Ohren von Liebhabern geeignet. Piobaireachd ist pure Musik im klassischen Sinn und wird ausschließlich von Solopipern gespielt.

Anlässlich eines Todes oder Abschiedes wird häufig ein Lament (Klage) komponiert oder angestimmt. Laments können von Solopipern gespielt werden, jedoch können weitere Piper oder auch eine Band einstimmen.

Ceol Beag, die leichte Musik, wird meist von den Pipes & Drums gespielt. Beim March handelt es sich, mit Einschränkungen, um Militärmusik. Es gibt 2/4 - 4/4 - 6/8 etc. Märsche, Slow und Quick Marches, wobei ein Slow March wie z.B. der "Skye Boat Song" durchaus Walzercharakter haben kann. Auch darf man sich nicht von Titeln täuschen lassen: "The Boy's Lament for his Dragon" (Die Klage des Jungen über seinen (verlorenen?) Drachen) ist ein 4/4 Marsch und alles andere als traurig. Das "Wooden Heart", von der Melodie fast identisch mit dem deutschen "Muß I denn zum Städele hinaus", ist ein Marsch, hierzulande würde man es eher als Wanderlied bezeichnen. Waulking Songs (to waul/wawl: schreien, heulen, miauen) würde ich eher als Walking Songs, also Wanderlieder einstufen. Tatsächlich begleiteten sie aber ursprünglich die Tweed-Weber bei ihrer Arbeit.

Die Tanzlust hat verschiedene Arten von Musik hervorgebracht. Der Reel, altenglisch reill = Kette, ist seit dem 16. Jahrhundert belegt; er bezeichnet einen alten keltischen Rundtanz, der ursprünglich religiöse Bedeutung hatte. Der Reel, ein schneller Tanz im 4/4-Takt, ist charakteristisch für Schottland. Der Strathspey soll im frühen 18. Jahrhundert im Tal (strath) des Flusses Spey entstanden sein. In dieser Gegend war die Fiddle beliebter als der Dudelsack, es handelt sich beim Strathspey also um typische Fiddlemusik, die dann von den Pipes übernommen wurde. Die Hornpipe wird erstmals 1260 erwähnt. Ursprünglich Bezeichnung für ein keltisches Rohrblasinstrument wurde der Tanz bis etwa 1760 im Tripeltakt (3/2) gespielt, heute jedoch als 4/4 und deutlich langsamer als Reel und Strathspey. Die Hornpipe war wohl auch bei den Seeleuten sehr beliebt. 

Der Jig ist eigentlich eine typisch irische Musik- und Tanzform, die mit der Zeit auch in Schottland heimisch wurde. Im 16. Jahrhundert war der Jig als "gigue" in ganz Europa auch in der höfischen Musik bekannt. Der Name Jig (engl. to jig, altfranzösisch "giguer", mittelhochdeutsch "gîger") leitet sich von "geigen" ab. Single und Double Jig werden im 6/8-Takt notiert, der Tripple Jig (irisch: Slip Jig) steht im 9/8-Takt. Die Schottishe (französisch "écossaise") geht auf einen alten schottischen Rundtanz zum Dudelsack zurück, der sich im 19. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet hat. Beethoven, Schubert und Chopin verwandten die Form der Ecossaise in ihren Kompositionen.

Balladen sind kein irisches Privileg: Auch die schottische Musik kennt sie in Form der Air und Slow Air. Airs sind häufig getragen und melancholisch, "Amazing Grace" ein allseits bekanntes Beispiel dafür.

Pipe Bands kombinieren gerne verschiedene Musikarten in einem Set miteinander; March, Strathspey und Reel ist eine beliebte Kombination, aber auch z.B. Lament und March sind möglich: Hier verbinden sich dann Tod und Trauer mit lebensbejahendem Aus- und Vorwärtsschreiten. Im Jazz wäre die "New Orleans Funktion" von Louis Armstrong bezüglich Intention und Wirkung vergleichbar.

Ceilidh (sprich "Keilie") bedeutet eigentlich Feier/Fete. Ceilidh ist Musik, die zu Dorffesten, Hochzeiten etc. gespielt wird. Der Dudelsack ist hier nur eines von vielen Instrumenten wie Fiddle, Tin Wistle, Drums, Akkordeon, Banjo, Klavier etc. Beim Ceilidh geht die Post ab: Es darf getanzt werden!

Es gibt auch Musik ausschließlich für Drums: Als Uhren noch nicht allgemein verbreitet bzw. unerschwinglich waren, war es Aufgabe des Drum Corps, durch entsprechende Signale den Tag zu strukturieren. Aus dieser Zeit stammt die Tradition des Drum Salute. Beim Drum Salute, auch Drum Fanfare genannt, handelt es sich um ausschließlich für die Drums komponierte, mehrminütige Soli des Drum Corps.

Die lange Tradition der schottischen Musik erhielt gegen Ende des 20. Jahrhunderts interessante neue Impulse: Seit Mitte der 80er Jahre wurden gelegentlich Pipes & Drums in Rock und Pop integriert. Innovative Kompositionen der "78th Fraser Highlanders" und der "Polkemmet Grorud P&D" unter P/M Robert Mathieson revolutionierten die traditionelle Musik und schufen eine neue traditionelle Musik. In den 90ern wurden eigenwillige Neukompositionen wie "Nelson Mandelas Wellcome to Glasgow" geschaffen: Afrikanischer Gesang und Rhythmus wird langsam zu schottischen Pipes & Drums übergeleitet, wobei Melodie und Rhythmus kaum verändert werden. Ende der 90er Jahre wurden interessante Experimente unternommen wie "Afro Celtic Sound System" (Keltische Melodie mit afrikanischen Rhythmen) und "Macumba" (Schottische Pipes (Mac) und brasilianischer Rumba). Parallel zur traditionellen Musik kann also derzeit eine Öffnung in Richtung "Weltmusik" beobachtet werden.
CD-Tipp: Brave Hearts - Narada
VNDCD9      7-2438-45445-2-2

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