Was hast du gesagt?
Dudelsack und Gehörschutz

von James R Bousquet, The Voice – Summer 1999

Org: „What Did You Say?
The Bagpipe and Hearing Protection.“

Deutsche Übersetzung von Hubert Sudhues

Neu veröffentlicht von der Holbaek Pipe Band mit freundlicher Genehmigung des Autors


Es ist eine Ironie des Schicksals, dass gerade die Musik, die wir so lieben, dazu führen kann, dass wir die Fähigkeit verlieren, sie ordentlich zu hören. Als Musiker setzen wir uns freiwillig Geräuschpegeln aus, die am Arbeitsplatz nicht erlaubt wären. Ich hoffe, mit diesem Artikel etwas Hintergrundwissen zu vermitteln und einige Möglichkeiten, die als Schutz in Frage kommen.

Was ist ein Hörverlust?

Ein lärminduzierter Hörverlust [= durch Lärm herbeigeführte Gehörschädigung. AdÜ] wird für gewöhnlich nicht als eine einfache Verminderung der wahrgenommenen allgemeinen Lautstärke von Klängen erlebt. Häufiger kommt es zu einer abnehmenden Empfindlichkeit in bestimmten Frequenzbereichen. Es ist typisch, im niedrigen Frequenzbereich normal oder fast normal zu hören, im oberen Frequenzbereich aber einen zunehmenden Hörverlust zu haben. Laute Geräusche sind daher für jemanden mit lärminduziertem Gehörschaden nicht unbedingt besser wahrnehmbar. Tatsächlich ist die Schwelle des Unbehagens üblicherweise dieselbe, laute Geräusche sind genau so ärgerlich wie für jemanden mit normalem Gehör.

Mit normalem Hörvermögen im unteren Frequenzbereich sind Leute mit dieser Form des Gehörverlustes generell fähig, Autos auf der Straße, Türklopfen und Selbstlaute [Vokale: a-e-i-o-u] recht gut zu hören. Leise, hochfrequente Klänge wie Vogelgesang, Grillengezirp oder raschelndes Laub können aber schwer hörbar sein. Auch nimmt die Fähigkeit Schaden, das Muster von starken und schwachen hochfrequenten Obertönen einzuschätzen, das von einem Drone-Set guter Qualität produziert wird. (Siehe: „A Primer on Harmonics“ [Eine Fibel über Harmonie AdÜ] von C.P.S. Taylor, The VOICE, Summer 1997)

Besonders Sprache ist schwieriger zu verstehen. Leisere, schnellere Mitlaute (Konsonanten: s, sch, f, d, t, p etc.) können verwechselt werden oder verloren gehen. Ungefähr 60% des Sprachverständnisses beruhen aber auf den hochfrequenten Mitlauten. Namen werden missverstanden, Pointen von Witzen verpasst und es fällt schwer, Gesprächen zu folgen, besonders in lärmiger Umgebung. Verlegen, den Gesprächspartner um eine Wiederholung zu bitten, werden Leute mit Hörverlust Schwierigkeiten haben, dem Gesprächsverlauf zu folgen oder einfach „abschalten“ und aufhören, sich anzustrengen. Die Umgebung wiederum betrachtet es unter Umständen als zu anstrengend, mit ihnen zu reden. Viele meinen, dass diese soziale Isolation ein größeres Problem darstellt als der eigentliche Gehörschaden.

Ein lärminduzierter Gehörschaden tritt häufig heimtückisch, schleichend, im Verlauf mehrerer Jahre auf. Es ist schwer zu erkennen, dass etwas passiert - bis ein ernsthafter Verlust bereits eingetreten ist. Ohrenärzte haben hierzu ein klassisches Szenario: Einer Person kommt zum Gehörtest nicht weil sie meint, einen Hörverlust zu haben, sondern weil sie es leid ist, vom Ehepartner (von dem sie übrigens meint, er würde viel zu undeutlich sprechen) immer wieder darum gebeten zu werden!

Wie laut ist die GHB?

Eines abends nahm ich einen Schallpegelmessgerät zur Bandprobe mit und machte einige stichprobenartige Messungen, während sich die Leute aufwärmten, Tonleitern oder im Cicle Tunes spielten.

Auf Brusthöhe, ca. 3 Meter vor einem Piper, variierten die Werte zwischen 91 dBA und 101 dBA. Messungen wenige Zentimeter vom linken Ohr eines Pipers entfernt variierten zwischen 93 dBA und 97 dBA. High A und High G waren am leisesten, C und Low G am lautesten. Ungefähr 30 cm von einem einzelnen Pipe Chanter wurde ein Schalldruck von 122 dBA erreicht.

Der Platz, an dem wir üben, ist akustisch recht aktiv (kein Teppich, keine Vorhänge etc.); wenn wir Piper ihn nicht benutzen, ist er ein Highland Dance Studio. Wie dem auch sei: Es ist ein recht großer, rechteckiger Raum von 5,5 mal 9 Metern. Messungen mit einem einzelnen Piper im Flur vor dem Studio lagen generell ungefähr 10 dBA höher. Ist das laut genug, einen Hörschaden zu verursachen?

Lärminduzierter Hörverlust resultiert aus dem Zusammenwirken von Lautstärke [org: sound intensity level] und Einwirkunsdauer des Lärms. Nachgewiesenermaßen beeinflussen viele andere Faktoren die persönliche Empfindlichkeit gegenüber diesen beiden Grundparametern. Diese Faktoren beinhalten Rauchen, Erbfaktoren, Geschlecht, Alter, körperliche Fitness, körperliche Belastung und die Umgebungstemperatur. Die Anfälligkeit [für lärminduzierten Hörverlust...] scheint eng mit der Durchblutung des Innenohrs verbunden zu sein. Es wurde nachgewiesen, dass während körperlicher Belastung die Empfindlichkeit für Hörschäden ansteigt. [1] Dieser Umstand ist für Piper bedeutend, weil es einerseits sehr anstrengend ist, unser Instrument zu spielen, andererseits das Spielen oft während des Marsches stattfindet, bei heißem Wetter, und so weiter...

Am Arbeitsplatz muss ein Gehörschutz getragen werden, wenn die Lärmbelastung die Grenzen der folgenden Tabelle überschreitet. Diese Grenzen sind von den zulässigen Arbeitsplatz-Sicherheitsstandards der meisten industrialisierten Länder übernommen worden. Meinen Messungen zufolge ist ein Gehörschutz sicherlich erforderlich für den, der täglich übt.

Standard Grenzwerte für die tägliche Lärmbelastung am Arbeitsplatz [2]

Schallintensität
(dBA)

Dauer
(Stunden pro 24-Stundentag)

90

8

92

6

95

4

97

3

100

2

102

1 ½

105

1

107

½

110

¼ oder weniger

115

Keine Exposition

Eine Person, für kurze Zeit einem genügend hohen Lärmpegel ausgesetzt, wird eine zeitlich begrenzte Verschiebung der Wahrnehmungsgrenze erfahren, eine Anhebung der Hörschwelle auf einigen oder allen Frequenzen. Wir alle haben diese Erfahrung gemacht und kennen dieses Gefühl der Dumpfheit oder Taubheit in den Ohren nach einem lauten Konzert, dem Rasenmähen etc. Nach solchem Lärm kehrt das Hörvermögen nach Minuten, Stunden oder Tagen zurück. Wiederholte oder länger andauernde Exposition kann allmählich zu einer dauerhaften und unheilbaren Minderung der Hörschärfe führen.

Geräusche müssen nicht ungemütlich laut sein, um Schaden anzurichten. Eine Studie mit Schulbandleitern zeigte, dass die Schallpegel, denen sie ausgesetzt waren, unterhalb der Grenze für die Einleitung von Gehörschutzmaßnahmen lagen. Trotzdem war nach Jahren des Unterrichts ihr Hörvermögen ungefähr 15 dB schlechter als das von Vergleichspersonen. [3]

Was sind meine Möglichkeiten?

Regelmäßige jährliche Gehörtests sind eine gute Idee. Das wird frühe Stadien eines lärminduzierten Gehörverlustes entdecken. Dein Hausarzt kann dich an einen Ohrenarzt überweisen, der dann dein Gehör testen kann.

Du magst dich entscheiden, keinen Gehörschutz zu tragen. Hier sind größere Räume (am besten draußen) und solche mit geräuschdämpfenden Merkmalen (Vorhänge, Teppich, Gras) eine Hilfe. Meide Wände. Abgesehen von akustischen Verzerrungen sinkt die Lärmintensität generell mit der Entfernung von der Lärmquelle. Wenn du in einer Band bist, kannst du andere Piper und Drummer kaum meiden, aber gehe nicht näher heran als erforderlich. Als Beispiel: Vermeide es, mit ungeschütztem Ohr in die Nähe eines Pipe Chanters zu gehen, während er gespielt wird – etwas, was viele Pipe Majors routinemäßig tun.

Schaumstoff-Ohrstopfen für den industriellen Gebrauch sind preiswert (ungefähr 50 Cent oder weniger pro Paar) und bieten einen sehr effektiven Schutz. Ordentlich getragen dämpfen sie unterhalb von 2000 Hz Geräusche um ungefähr 25 bis 30 dB, und oberhalb von 2000 Hz um bis zu 40 dB. Dieses ungleiche Verhalten führt dazu, dass die Dinge „dumpf“ klingen, was kein Problem ist, wenn sie gegen Maschinengeräusche schützen sollen. Aber für viele Musiker verzerren sie zu stark. Du wirst sie sicherlich häufig wechseln wollen, weil sie schmutzig werden. Mit milder Seife und warmem Wasser lassen sie sich gut waschen, aber diese Behandlung lässt den Schaumstoff nach einer Weile steif werden.

Die „ER-20 Hi-Fi earplugs“ Ohrstopfen von Etymotic Research sind ebenfalls nützlich für laute Konzerte, Sportereignisse etc. Sie kosten ungefähr 15$ bis 25$ mit gewöhnlicher und 80$ bis 95$ mit maßgefertigter Ohrpassung. Sie sind für eine Geräuschdämpfung von ungefähr 15 bis 20 dB entworfen. Ihr Dämpfungsprofil ist flacher als das der Ohrstopfen, steigt aber im hochfrequenten Bereich (oberhalb 1 kHz) immer noch um 5 bis 7 dB an.

Musiker-Ohrstopfen wurden entwickelt, um über alle Frequenzen das gleiche Dämpfungsausmaß zu erreichen. Das Ergebnis ist just das, was du erwartest: Alle Geräusche sind ein wenig leiser, aber nicht dumpf wie bei den regulären Schaumstoffstopfen. Etymotic Research produziert die populärsten Musiker-Ohrstopfen auf dem [amerikanischen AdÜ] Markt. Der ER-15 dämpft um 15 dB über das gesamte Frequenzspektrum, und der ER-25 – du vermutest es – um 25 dB. Für einwandfreie Funktion dieser Stopfen ist perfekter Sitz erforderlich. Das bedeutet, dass eine Maßanfertigung der Ohrpassung erforderlich ist (ungefähr $120 bis $140 pro Paar). Erhältlich sind sie bei Hörgeräteakustikern (Schau in die Gelben Seiten), die berechtigt sind, einen Abguss deines Gehörganges zu machen.

Drummer sollten erwägen, ER-25 Ohrstopfen zu benutzen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Trommler, die industrielle Schaumstoffstopfen benutzen (die zu stark dämpfen) dazu tendieren, härter zu schlagen und so das Risiko für Arm- und / oder Handgelenksschäden erhöhen. Die Schlagintensität mit ER-25 Ohrstopfen ist gleich der ohne Ohrenstopfen. [4]

Ich habe ein Paar ER-15 und bin recht glücklich damit. Ich finde sie komfortabler als die Schaumstoff-Stopfen. Tatsächlich: Manchmal vergesse ich, dass ich sie trage. Das Einführen und Herausnehmen erforderte ein wenig Gewöhnung, aber nach einigen Versuchen hatte ich den Dreh ‘raus.

Wenn du vermutest, bereits einen Gehörschaden zu haben, solltest du dein Gehör testen lassen. Dein Doktor (vorzugsweise ein Hals-, Nasen-, Ohrenarzt) wird entscheiden, ob das Problem medizinisch behandelt werden kann. Ist das nicht möglich – und lärminduzierter Hörverlust kann nicht behandelt werden – wird er dich an einen Hörgeräteakustiker überweisen mit der Fragestellung, ob ein Hörgerät hilfreich sein kann. Bei schon bestehendem Hörverlust dämpft regulärer Hörschutz unter Umständen im hohen Frequenzbereich zu stark. Es gibt Möglichkeiten, die hier helfen können – frag deinen Hörgeräteakustiker. An Musiker-Ohrstopfen können [entsprechende] Änderungen vorgenommen werden, oder es kann eine spezielle Hörhilfe verschrieben werden.

Wenn du meinst, ein Gehörschutz sei zu teuer, überlege dir, was du für einen neuen Dirk oder ein Paar Ghillie Brogues zahlen würdest. Und frag dich selbst, was mehr wert ist.

[1] Michelle Vitittow, Ian M. Windmill, James W. Yates, David R. Cunningham. 1994. Effect of simultaneous exercise and noise exposure (music) on hearing. J.Am. Acad.Audiol. 5: 343-348

[2] Ontario Ministry of Labor. Occupational Health and Safety Act and Regulations for Industrial Establishments. May 1995 ed.

[3] Pang-Ching, G. 1982. Hearing levels of secondary school band directors. The Journal of Auditory Research. 22:284-288.

[4] Marshall Chasin. 1996. Musicians and the Prevention of hearing loss. Singular Publishing Group, San Diego, London. P. 147.

James R. Bousquet, P.Eng., ist der Senior Softwareingenieur der dspfactory Ltd. In Waterloo, Ontario, Canada. Die Firma entwirft Miniatur-Niedrigenergie-Digital-Signalprozessoren für Hörgerätehersteller. Er hat akademische Abschlüsse in Biologie, Physiologie sowie Ingenieurwissenschaften.


Das Dezibel, Abkürzung dB, ist das Pegelmaß, ein objektives Maß für den Schallpegel. Das Dezibel gibt in logarithmischer Form das Verhältniss zweier Schallintensitäten oder Schalldrücke wieder, nämlich der zu messenden Größe und der unteren Hörschwelle. Die untere Hörgrenze liegt bei 0 dB, die Schmerzgrenze bei 120 dB (das 1012fache!). Eine Erhöhung des Schallpegels um 10 dB entspricht dem zehnfachen der Schallintensität, eine Erhöhung um 3 dB einer Verdoppelung. - Die Frequenzabhängigkeit der Empfindlichkeit des menschlichen Ohres wird bei Schallmessungen mit sog. Bewertungskurven nachgebildet; üblich ist die Kurve A. Die danach bewerteten Regelwerte werden in dB(A) angegeben. dBA-Faustregel:

Hörschwelle (absolute Stille)

0 dBA

Wald, Blätterrauschen

20 dBA

Flüstern

40 dBA

Normale Sprache

60 dBA

Staubsauger in 7m Entfernung

80 dBA

Presslufthammer in 7 m Entfernung

100 dBA

Verkehrsflugzeug in 100 m Entfernung

120 dBA

Düsenjäger in 100 m Entfernung

130 dBA

[AdÜ]

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Quelle: The Voice – Summer 1999

Deutsche Übersetzung von Hubert Sudhues
http://www.macbumm.de

Lieber heute in einen guten Gehörschutz investieren
als sich morgen über die Kosten eines Hörgerätes zu ärgern! AdÜ

 

Neu veröffentlicht von Holbaek Pipe Band, August 2002
http://www.hpb.dk