Bei solchen Bildern könnte ich speien!

Jagd

 - Eine Kritik -


Zur Jagd habe ich prinzipiell eine ablehnende Haltung: Ich halte sie für überflüssig, ja schädlich und heutzutage, von Naturvölkern abgesehen, die sich wirklich davon ernähren, für ethisch nicht mehr vertretbar. Was einmal für das Überleben notwendig und wichtig war ist zum Sport und zum Egotrip verkommen. Sportlicher ist da in meinen Augen der Kopfschlächter, der im Akkord am Fließband Bullen schlachtet: Der schwitzt noch dabei! Für mich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob jemand auf Gummitiere oder ein Lebewesen schießt: Letzteres empfindet Angst und Schmerz wie wir und hat, wie wir, ein Recht zu leben.

Im Juli 2000 schrieb ich an die Redaktion der Traditionell Bogenschießen einen Leserbrief zum Thema Bogenjagd. Der Leserbrief wurde nicht veröffentlicht... Eine spätere Buchbesprechung zum Thema Jagd, sehr zurückhaltend formuliert, wurde angenommen. Leserbrief und Buchbesprechung möchte ich dem interessierten Leser nicht vorenthalten. Es handelt sich um meine Meinung, die auf der Basis von Erfahrungen und intensiver Beschäftigung mit dem Thema beruht.


Leserbrief zum Thema Bogenjagd
HS - 11 Jul 2000

Vor ungefähr 20.000 Jahren wurde der Bogen erfunden. Die erste Maschine des Menschen, die Bohrmaschine, wurde mit einem Bogen angetrieben, das erste Saiteninstrument war der Musikbogen. Als Jagdwaffe hat der Bogen einen nicht unwichtigen Beitrag zur Ernährung des Menschen geleistet, als Kriegswaffe im Laufe der Jahrtausende aber auch viele Leben genommen. Als traditioneller Bogenschütze stellt diese Geschichte meine Basis dar, ist doch mein Sport aus der Übung für Jagd und Krieg hervorgegangen. Mir persönlich ist aber jedes Töten zuwider, und so verspüre ich weder Lust zu jagen noch als SOG-Killer ("Studies and Organisation Group", Sondereinheit der amerikanischen Armee) durch den vietnamesischen Dschungel zu schleichen und "Charlies" platt zu machen.

Ich brauche diesen langen Anlauf, um meinen Unmut über den Bullan-Artikel "Gedanken zur Bogenjagd in den europäischen Ländern" loszuwerden. Ich möchte meinen Ärger hier an einem Satz festmachen, der meiner Meinung nach tief blicken lässt:

"Klare Trennung zwischen Bogensport und Bogenjagd, da die Jagd kein Freizeitspaß ist, sondern die überlegte Handlung eines dazu befugten Technikers im Hinblick auf eine Regulierung des Wildbestandes."

Regulierung des Wildbestandes, soso... Wieder diese Leier! Nachdem die natürlichen Feinde als Futterkonkurrenten ausgerottet, die Landschaft nachhaltig zu Ungunsten des Waldes/Wildes verändert wurde und gleichzeitig intensive Landwirtschaft den überlebenden Tieren ein phantastisches Nahrungsangebot bietet, muss nun der Wildbestand reguliert werden, um Wildschaden vorzubeugen. Davon abgesehen, dass ich mir nicht vorstellen kann, der Mensch könnte die Natur regulieren, verstehe ich das Konzept der hierzulande praktizierten Jagd nicht: Statt die weiblichen Tiere zu töten, die ja für die Reproduktion hauptsächlich verantwortlich sind, werden die männlichen Tiere abgeschossen, zumindest, wenn sie irgendwelche Hörner auf dem Kopf haben. Wer einmal den verwesenden Körper eines Rehbocks gesehen hat, dem lediglich der Kopf fehlte, wird meine Wut über derartige "Regulierung" nachvollziehen können. Fehlen derartige Trophäen wird lustig geballert, bis die Art auf der Roten Liste steht. Unter dem Strich ist das Resultat solcher Jagd Artenvernichtung und Artenarmut. Ein "ordentlicher" Jäger hat weder Ahnung von noch Interesse an ökologischen Zusammenhängen. Daher erscheint mir diese Jägerei eher als eine Art von Religion, mit festen Glaubenssätzen und Dogmen nebst zugehöriger Litanei: Regulierung des Wildbestandes, Waidgerechtigkeit, Kesseljagd, Horrido. - Was der Jagdtourismus angeht, bei dem für teures Geld in fremden Ländern "reguliert" wird: Hier erübrigt sich wohl jede Diskussion.

Wem schon einmal Schrotkugeln um die Ohren geflogen sind, weil ein westfälischer Nimrod sein Jagdrecht jetzt und auf der Stelle wahrnehmen wollte, der muss beim Begriff "Techniker" unweigerlich schmunzeln. Techniker arbeiten in Kraftwerken oder an Maschinen - kühl, besonnen und rational. Im Wald sähe ich persönlich lieber blitzgescheite, hellwache, solide ausgebildete Berufsjäger mit einer gehörigen Portion Empathie für Fauna und Flora. In dieser Mischung kann ich mir dann auch überlegtes Handeln vorstellen.

Ich stimme zu, wenn Herr Bullan feststellt, die Jagd sei kein Freizeitspaß: Kann töten Spaß machen? Wenn ja: Wie krank muss dieser Mensch sein... Konsequenterweise stimme ich daher für professionelle Jäger und die Abschaffung der Hobbyjagd. Wer schon einmal einem völlig besoffenen Teilnehmer einer Treibjagd aus dem Graben geholfen hat und dabei die geladene Flinte - Mündung voraus! - als "Seil" gereicht bekam, wird so schnell nicht wieder für freie Jagd stimmen...

Ich stimme Herrn Bullan auch zu, wenn er fordert, Bogensport und Bogenjagd zu trennen. Diese Forderung sollte sich aber auch auf die Trennung von Druckwerken beziehen. Ich schlage Herrn Bullan daher vor, eine Zeitschrift für Anhänger der Bogenjagd herauszugeben, das wird diese freuen - und mich nicht minder...

Ich möchte aber keinesfalls missverstanden werden: Die Serie "Fährtenlesen" gefällt mir schon, da ich als bogenschießender "Waldläufer" natürlich Interesse an den Spuren habe, die unsere "kleinen Freunde" (Grzimek) hinterlassen.

Zurückkommend auf das leidige Jagdthema folgende Schlussbemerkung: Der Bogen wurde im ausgehenden Mittelalter als Kriegswaffe von Armbrust und Gewehr verdrängt. Die Armbrust wurde als Kriegswaffe erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch die Einführung effektiver Schusswaffen verdrängt, als Jagdwaffe war sie aber wegen ihrer Lautlosigkeit weiterhin beliebt. Zu Zeiten summarischen Waffenverbotes, wie im Nachkriegsdeutschland nach 1945, war sie eine der Jagdwaffenmöglichkeiten schlechthin. Es dürften also noch heute Jäger leben, die nach Ende des 2. Weltkrieges mit dem Pfeil gejagt haben. Betrachtet man darüber hinaus die Wundballistik von Pfeil und Kugel (Scharfe Gewalt niedriger Energie versus stumpfe Gewalt hoher Energie) mit den Resultaten scharfe Stichwunde und zerfetzte Wundhöhle so wird man nicht umhin kommen, beiden Mechanismen ein hohes Tötungspotential zuzuschreiben. Die Argumentation der heutigen Standesvertreter, der Pfeil töte nicht "waidgerecht", ist für mich nicht nachvollziehbar. Aber wie war das doch: Über Glaubensdinge soll man nicht diskutieren...

HS


Buchbesprechung
Consiglio, Carlo: Vom Widersinn der Jagd.

Seit Jahren wird in den reichen Industrieländern über Sinn und Rechtfertigung der Jagd gestritten, bisweilen emotional auf Seiten der Gegner oder polemisch auf Seiten der Befürworter. Carlo Consiglio, Ordinarius für Zoologie an der Universität Rom, hat ein leises Buch zu diesem Thema vorgelegt. Er setzt geduldig auf strikte Rationalität: Zahlen, Daten, Fakten, geschöpft aus 798 wissenschaftlichen Quellen, nüchtern analysiert und kommentiert. Kein leichtes Buch, nicht frei von Kröten, die geschluckt werden müssen, aber ein wichtiges Handbuch für alle, die fachlich fundierte Argumente zum Thema Jagd suchen.

"Seine Argumente sind nicht moralischer, sondern biologischer Natur ... außerordentlich gut belegt und geradezu umwerfend überzeugend." (Frankfurter Rundschau). 

Einzig der Titel der deutschen Ausgabe ist ärgerlich: Das italienische Original ist "Eine wissenschaftliche Kritik der Jagd" (Una critica scientifica della caccia) überschrieben. 

Carlo Consiglio "Vom Widersinn der Jagd". Deutsche Erstausgabe. Deutsch von Ulrich Hausmann. 280 Seiten. Fadenheftung. Fester Einband. 16,85 Euro. Bestellnummer 18372 bei Zweitausendeins, Postfach, D-60381 Frankfurt am Main.