Könnte es nicht eine Regierung geben, in der nicht die Mehrheit über Recht und Unrecht befindet, sondern das Gewissen? In der die Mehrheit nur solche Fragen entscheidet, für die das Gebot der Nützlichkeit gilt? Muß der Bürger, auch nur für einen Augenblick oder im geringsten Maß, sein Gewissen an den Gesetzgeber abtreten? Wozu hat denn jeder Mensch ein Gewissen? Ich meine, dass wir zuerst Menschen sein sollten und danach Untertanen. Wir sollten weniger den Respekt vor dem Gesetz pflegen als den Respekt vor dem Recht. Die einzige Verpflichtung, die ich Rechtens eingehen kann, ist die, jederzeit das zu tun, was mir recht erscheint. Eine Körperschaft habe kein Gewissen, sagt man, und das stimmt auch; doch eine Körperschaft, die aus gewissenhaften Menschen besteht, ist eben eine Körperschaft mit Gewissen. Das Gesetz hat die Menschen auch nicht um ein Jota gerechter gemacht. Gerade weil sie es so sehr achten, werden sogar diejenigen mit guter Gesinnung täglich zu Handlangern des Unrechts.

Henry David Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. (1849)